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Angola: Vier Aktivisten verurteilt
Die angolanischen Aktivisten (v.l.) Adolfo Campos, Abraão Pedro Santos, Gilson Morreira (genannt Tanaice Neutro) und Hermenegildo Victor José (undatierte Fotos)
© privat
Am 16. September wollten die vier Aktivisten Adolfo Miguel Campos André, Abraão Pedro dos Santos, Gilson Morreira und Hermenegildo Victor José an einer Solidaritätsdemonstration für Motorradtaxifahrer*innen in Luanda teilnehmen – doch kurz zuvor wurden sie festgenommen. Nur drei Tage später wurden sie wegen "Ungehorsam und Widerstand" zu 2 Jahren und 5 Monaten Haft verurteilt, obwohl vor Gericht keine Beweise gegen sie vorlagen. Die Strafverfolgung gegen sie ist allein auf die friedliche Wahrnehmung ihrer Menschenrechte zurückzuführen. Amnesty International fordert ihre sofortige Freilassung.
Appell an
Marcy Cláudio Lopes
Ministry of Justice and Human Rights
Casarão da Justiça, Rua 17 de Setembro
Gombota, Luanda, LU
ANGOLA
Sende eine Kopie an
Botschaft der Republik Angola
I.E. Frau Balbina Malheiros Dias da Silva
Werderscher Markt 10
10117 Berlin
Fax: 030-24 08 97 12
E-Mail: botschaft@botschaftangola.de
Amnesty fordert:
- Ich fordere Sie dringend auf, dafür zu sorgen, dass die vier Aktivisten unverzüglich freigelassen werden, da sie sich lediglich aufgrund der friedlichen Ausübung ihrer Rechte auf freie Meinungsäußerung und friedliche Versammlung willkürlich in Haft befinden.
- Bis zu ihrer Freilassung muss gewährleistet sein, dass sie direkt und ohne Einschränkungen mit Lebensmitteln versorgt werden dürfen. Außerdem muss ihnen gestattet werden, Besuche auch von anderen Familienmitgliedern und Freund*innen zu empfangen. Die Behörden müssen außerdem sicherstellen, dass sie Zugang zu allen notwendigen medizinischen Leistungen haben und dass ihre Haftbedingungen mit den UN-Mindestgrundsätzen für die Behandlung von Gefangenen (Nelson Mandela Rules) übereinstimmen.
Sachlage
Am 16. September trafen sich die vier Aktivisten Adolfo Miguel Campos André, Gilson Morreira (auch Tanaice Neutro), Hermenegildo Victor José (auch Gildo das Ruas) und Abraão Pedro dos Santos (auch O filho da revolução_pensador), um an einer Solidaritätsdemonstration für Motorradtaxifahrer*innen in der angolanischen Hauptstadt Luanda teilzunehmen. Doch nur wenige Stunden vor Beginn der Veranstaltung nahm die Polizei die vier Aktivisten ohne Haftbefehl fest. Dabei schien es keine Rolle zu spielen, dass die Organisator*innen der Veranstaltung alle gesetzlichen Bestimmungen einhielten und die Behörden über die Demonstration auf dem Laufenden hielten.
Die Staatsanwaltschaft beschuldigte die vier Aktivisten zunächst der Präsidentenbeleidigung. Aufgrund verschiedener Ungereimtheiten und mangelnder Beweise wurde die Anklage etwas später in "Ungehorsam und Widerstand gegen Befehle" geändert. Aus Zeugenberichten und kursierenden Videos geht hervor, dass die Aktivisten zum Zeitpunkt ihrer Festnahme auf dem Boden lagen und keinen Widerstand leisteten. Am 19. September verurteilte das Gericht sie zu 2 Jahren und 5 Monaten Haft und verhängte eine Geldstrafe von jeweils 80.000 Kwanzas (knapp 90 EUR). Ihre Rechtsbeistände reichten sowohl einen Einspruch als auch eine Beschwerde gegen die Entscheidung ein, die jedoch beide vom Gericht zurückgewiesen wurden.
Seit ihrer Festnahme hat der Strafvollzugsdienst die Ehefrauen der vier Aktivisten wiederholt daran gehindert, den Gefangenen direkt Lebensmittel zu liefern. Aus Protest gegen diesen Umgang traten Adolfo Miguel Campos André und Abraão Pedro dos Santos in den ersten zwei Wochen ihrer Inhaftierung in den Hungerstreik. Außerdem dürfen drei der vier Aktivisten seit dem 27. Oktober nur noch von ihren Ehefrauen (die Lebensmittel bringen) und ihren Rechtsbeiständen besucht werden. Auch die Gesundheit und Sicherheit der vier inhaftierten Aktivisten gibt Anlass zur Sorge. Adolfo Campos wird in einer Zelle mit mehr als 100 anderen Gefangenen festgehalten, in der es immer wieder zu Kämpfen kommt – bis hin zu Messerstechereien. Der Aktivist leidet an einer sich schnell verschlechternden Sehschwäche, erhielt bisher jedoch noch keine medizinische Behandlung. Gilson Morreira (auch Tanaice Neutro) wurde zunächst ohne ersichtlichen Grund 36 Tage lang in Einzelhaft gehalten. Er hätte im November operiert werden müssen, doch die Operation fand nicht statt. Auch seine Gesundheit verschlechtert sich zusehends.
Hintergrundinformation
Der 44-jährige Aktivist Adolfo Miguel Campos André ist Sprecher der Revolutionären Bewegung Angolas (Movimento Revolucionário). Er ist Vater von vier Kindern und arbeitet als Leiter der Finanzabteilung für eine Lokalzeitung in Luanda. Seinen Aktivismus begann er 2011, als er zusammen mit anderen jungen Menschen eine Bewegung gegen das Regime des ehemaligen Präsidenten José Eduardo Dos Santos ins Leben rief. Dieser war damals bereits seit 32 Jahren an der Macht und seine Präsidentschaft war von Korruptionsskandalen, sozialer Ungleichheit und schweren Menschenrechtsverletzungen geprägt.
Der 28-jährige Gildo das Ruas (Hermenegildo Victor José) ist Mitglied der Widerstandsbewegung Malangina. Gildo das Ruas hat zwei kleine Töchter und nimmt seit 2014 an Demonstrationen teil. Im Jahr 2021 wurde er in der Provinz Malange im Zusammenhang mit seinem friedlichen Aktivismus für sechs Monate willkürlich inhaftiert.
Der 37-jährige Abraão Pedro dos Santos (O filho da revolução_pensador) ist Sprecher der Revolutionären Bewegung Pantera Negra und außerdem Mitglied der zivilgesellschaftlichen Organisation Sociedade Civil Constestatária. Er nahm immer wieder an friedlichen Demonstrationen teil, wofür er mehrmals willkürlich inhaftiert wurde, aber dies ist das erste Mal, dass er auch verurteilt wurde. Abraão Pedro dos Santos ist Vater von zwei kleinen Kindern. Als der Richter bei der Verhandlung die Namen der Verurteilten verkündete, war Abraão Pedro dos Santos nicht dabei – nur Adolfo Campos, Tanaice Neutro und Gildo das Ruas. Nachdem der Richter den Gerichtssaal verlassen hatte, wurde der Gerichtsschreiber nur wenige Augenblicke später zurück in den Saal geschickt, um die Zusammenfassung der Verhandlung zu verlesen. Nun wurde auch der Name von Abraão Pedro dos Santos genannt: Er war in die Anklageschrift aufgenommen und auch verurteilt worden.
Der 36-jährige Tanaice Neutro (Gilson Morreira) ist ein bekannter Künstler, der seine Meinung zu sozialen Problemen wie Armut, Ungleichheit und Korruption häufig über Kuduro zum Ausdruck bringt, einen angolanischen Musikstil. Im Oktober 2022 wurde Tanaice zu einer 15-monatigen Bewährungsstrafe verurteilt, weil er den Präsidenten einen "Clown" genannt hatte. Da er sich weigerte, sich beim Präsidenten zu entschuldigen, wurde er trotz eines Entlassungsschreibens des Gerichts über die Dauer seiner Strafe hinaus im Gefängnis festgehalten. Am 23. Juni 2023 wurde er schließlich freigelassen. Er war nur zwei Monate lang auf freiem Fuß, bevor er am 16. September 2023 zusammen mit den drei anderen Aktivisten erneut festgenommen wurde.
Während des Prozesses gegen die vier Aktivisten sagte ein Polizist, der am Tag der Solidaritätsdemonstration Dienst hatte, vor Gericht aus, dass die Aktivisten alle Anweisungen der Beamten befolgt hätten. Doch selbst diese Aussage reichte nicht aus, um ihre Verurteilung zu verhindern.
Amnesty International ist besorgt über die wachsende Zahl von Aktivist*innen und Menschenrechtsverteidiger*innen, die von den angolanischen Behörden ins Visier genommen werden. Dieses Vorgehen verstößt eindeutig gegen das Recht auf freie Meinungsäußerung und friedliche Versammlung.