Algerien: Haftstrafe für Journalisten verlängert

Das Foto zeigt Ihsane El Kadi, der einen Anzug mit Krawatte trägt und eine Sonnenbrille. Er steht umgeben von mehreren Personen vor einem Gebäude und blickt in die Kamera.

Der algerische Journalist Ihsane El Kadi (undatiertes Foto)

Am 18. Juni verkündete das Berufungsgericht in Algier das Urteil im Berufungsverfahren des Journalisten Ihsane El Kadi. Es bestätigte den Schuldspruch und erhöhte seine Strafe von fünf auf sieben Jahre, von denen zwei zur Bewährung ausgesetzt wurden. Dies ist die schwerste Strafe, die seit der Wahl von Präsident Abdelmadjid Tebboune 2019 gegen einen Journalisten verhängt wurde. Ihsane El Kadi wurde der Entgegennahme von Geldern, "die der Sicherheit des Staates schaden könnten" und der Entgegennahme ausländischer Gelder "für politische Propaganda" für schuldig befunden. Das Berufungsgericht erkannte die Menschenrechtsverstöße, die seit seiner Festnahme gegen Ihsane El Kade begangen wurden, nicht an und sorgte auch nicht für Abhilfe. Das Urteil gegen Ihsane El Kadi muss aufgehoben und er muss umgehend aus dem Gefängnis El Harrach, in dem er sich aktuell befindet, entlassen werden.

Appell an

Präsident

Abdelmadjid Tebboune

Présidence de la République

Place Mohammed Seddik Benyahiya

El Mouradia


Algier 16000

ALGERIEN

Sende eine Kopie an

Botschaft der Demokratischen Volksrepublik Algerien

S. E. Herrn Larebi El Hadj Ali

Görschstr. 45–46

13187 Berlin


Fax: 030 4809-8716

E-Mail: info@algerische-botschaft.de

Amnesty fordert:

  • Ich fordere Sie auf, Ihsane El Kadi umgehend und bedingungslos freizulassen und seine Verurteilung aufzuheben.
  • Darüber hinaus fordere ich Sie auf, dem gezielten Vorgehen gegen unabhängige Medien und Journalist*innen sowie der Zensur durch vage formulierte Paragrafen im Strafgesetzbuch, um das Recht auf freie Meinungsäußerung einzuschränken, ein Ende zu setzen.

Sachlage

Der Journalist Ihsane El Kadi wurde auf der Grundlage konstruierter und vager Anklagen im Berufungsverfahren erneut für schuldig befunden und seine Strafe von fünf auf sieben Jahre Gefängnis erhöht, von denen zwei zur Bewährung ausgesetzt wurden.

Am 18. Juni verkündete das Berufungsgericht Algier sein Urteil in einem Berufungsverfahren, das die Rechtsbeistände von Ihsane El Kadi eingeleitet hatten. Am 2. April hatte das erstinstanzliche Gericht von Sidi M'hamed in der Provinz Algier Ihsane El Kadi der "Entgegennahme von Geldern für politische Propaganda" und der "Gefährdung der Sicherheit des Staates" gemäß Paragraf 95 bzw. 95a des Strafgesetzbuches für schuldig befunden. Die Anklagen gegen ihn stehen im Zusammenhang mit Geld, das er von seiner Tochter erhalten und in sein Medienunternehmen investiert hat – ein Vorgang, der nach algerischem Recht nicht strafbar ist. Das Gericht legte weder Beweise dafür vor, dass das Medienunternehmen von Ihsane El Kadi politische Propaganda verbreitet, noch dafür, dass es die staatliche Sicherheit gefährdet. Die Vorwürfe gegen ihn sind somit unbegründet. Seine Rechtsbeistände führten im Berufungsverfahren an, dass es während des gesamten Verfahrens zu Verletzungen seines Rechts auf ein faires Gerichtsverfahren kam. So wurde einem der Rechtsbeistände von Ihsane El Kadi zufolge keiner der Beweise, die die Verteidigung dem Berufungsgericht im Verfahren vorlegte, von diesem geprüft. Seine Verteidiger*innen beantragten außerdem die Einstellung des Verfahrens, da die Festnahme und Inhaftierung von Ihsane El Kadi rechtswidrig war.

Sicherheitskräfte in Zivil hatten Ihsane El-Kadi am 24. Dezember 2022 ohne Haftbefehl in seiner Wohnung festgenommen. Seine Festnahme erfolgte unmittelbar nach der Veröffentlichung eines Artikels, in dem er seine Prognosen für die nächsten Präsidentschaftswahlen 2024 abgegeben und die Rolle der algerischen Armee bei der Unterdrückung der freien Meinungsäußerung in Algerien erläutert hatte.

Anstatt anzuerkennen, dass die Festnahme und strafrechtliche Verfolgung von Ihsane El Kadi gar nicht erst hätte erfolgen dürfen und seine Verurteilung aufzuheben, hat das Berufungsgericht die gegen ihn begangenen Menschenrechtsverstöße noch weiter verschärft und die Dauer seiner willkürlichen Inhaftierung verlängert.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Ihsane El Kadi ist Journalist sowie Leiter und Gründer der Mediengruppe Interface Médias, zu dem der Sender Radio M und die Nachrichtenwebsite Maghreb Émergent gehören. Er hat die algerischen Behörden in mehreren Artikeln offen kritisiert. Diese reagierten mit Schikanen und nahmen seine Mediengruppe ins Visier. 2020 wurden sowohl die Website von Radio M als auch die von Maghreb Émergent in Algerien gesperrt. Ihsane El Kadi ist seit 2021 mehrfach von Sicherheitsdiensten in die Generaldirektion für Innere Sicherheit in Algier vorgeladen und dort befragt worden.

Am Tag seiner Festnahme führten Sicherheitsbeamt*innen Ihsane El Kadi in Handschellen zu den Büroräumen seines Medienunternehmens. Dort forderten sie die Mitarbeiter*innen zum Gehen auf, beschlagnahmten Computer und andere Materialien und versiegelten die Türen, ohne ihm eine Erklärung zu geben oder ihn darüber zu informieren, aus welchen Gründen er festgenommen wurde. Er wurde fünf Tage lang von Sicherheitsbeamt*innen festgehalten und zu seinen Veröffentlichungen befragt. Am 29. Dezember 2022 ordnete ein Ermittlungsrichter am erstinstanzlichen Gericht von Sidi M'hamed in Algier die Inhaftierung von Ihsane El Kadi im Gefängnis von El Harrach an, nachdem die Staatsanwaltschaft ihn wegen mehrerer Verstöße gegen das Strafgesetzbuch angeklagt hatte. Zu den Vorwürfen gehörte die Entgegennahme von Geldern, "die der Sicherheit des Staates schaden könnten", die Entgegennahme ausländischer Gelder "für politische Propaganda" und die Verbreitung von Propaganda "mit dem Ziel, dem nationalen Interesse zu schaden" – eine Anklage, die später fallen gelassen wurde. Der Richter beschuldigte ihn auch auf der Grundlage der Verordnung 77-3 aus dem Jahr 1977, laut der für die Beschaffung finanzieller Mittel eine vorherige Genehmigung durch den Gouverneur oder das Innenministerium erforderlich ist. Am 15. Januar 2023 verlängerte das Gericht von Sidi M'hamed die Untersuchungshaft von Ihsane El Kadi ohne Anwesenheit seines Rechtsbeistands und verstieß damit gegen sein Recht auf ein faires Verfahren.