Ägypten: drohende Abschiebung

Portraitaufnahme von Abdul-Baqi Saeed, der vor einer Ziegelmauer steht und eine Brille und ein Polo-Hemd trägt und in die Kamera lächelt.

Dem jemenitischen Asylsuchenden Abdul-Baqi Saeed Abdo droht die Abschiebung aus Ägypten.

Der jemenitische Asylsuchende Abdul-Baqi Saeed Abdo befindet sich in Ägypten seit mehr als 20 Monaten willkürlich in Haft und ist nun in Gefahr, in den Jemen abgeschoben zu werden, wo sein Leben in Gefahr wäre. Abdul-Baqi Saeed Abdo und seine Familie waren 2014 gezwungen, aus dem Jemen nach Ägypten zu fliehen, nachdem er in den Sozialen Medien seinen Übertritt zum Christentum bekannt gegeben hatte und die Familie daraufhin brutal angegriffen wurde. Die ägyptischen Sicherheitskräfte nahmen Abdul-Baqi Saeed Abdo am 15. Dezember 2021 fest und ließen ihn zwei Wochen lang verschwinden, bevor die Staatsanwaltschaft wegen mutmaßlicher "Mitgliedschaft in einer terroristischen Gruppe" und "Diffamierung der islamischen Religion" seine Untersuchungshaft anordnete. Er wird nur deshalb festgehalten, weil er seine Rechte auf Meinungs-, Gewissens- und Glaubensfreiheit wahrgenommen hat. Er ist daher unverzüglich freizulassen und darf nicht abgeschoben werden.

Appell an

Mahmoud Tawfiq

Ministry of Interior

25 El Sheikh Rihan Street


Bab al-Louk

Cairo

ÄGYPTEN

Sende eine Kopie an

Botschaft der Arabischen Republik Ägypten

S. E. Herrn Khaled Galal Abdelhamid

Stauffenbergstraße 6 – 7

10785 Berlin


Fax: 030-477 1049

E-Mail: embassy@egyptian-embassy.de

Amnesty fordert:

Sachlage

Der jemenitische Asylsuchende Abdul-Baqi Saeed Abdo, der willkürlich im Gefängnis Al-Qanater 1 nördlich von Kairo inhaftiert ist, soll in den Jemen abgeschoben werden. Er wurde am 21. Dezember 2021 von Sicherheitskräften in seiner Wohnung festgenommen und fiel zwei Wochen lang dem Verschwindenlassen zum Opfer. Während dieser Zeit verweigerten die Behörden seiner Familie jegliche Auskunft über sein Schicksal und seinen Verbleib. Später ordnete die Staatsanwaltschaft der Staatssicherheit wegen mutmaßlicher "Mitgliedschaft in einer terroristischen Gruppe in Kenntnis ihrer Zwecke" und "Diffamierung der islamischen Religion" Untersuchungshaft gegen Abdul-Baqi Saeed Abdo an. Diese Vorwürfe stehen im Zusammenhang mit seinem Übertritt zum Christentum, worüber er seit seiner Flucht aus dem Jemen nach Ägypten im Jahr 2014 regelmäßig auf seinen Social-Media-Plattformen gesprochen hat. Seit seiner Festnahme im Dezember 2021 ist seine Untersuchungshaft verlängert worden, ohne dass er die Möglichkeit hatte, die Rechtmäßigkeit seiner Inhaftierung anzufechten.

Im Juli 2022 erließen die ägyptischen Behörden eine Ausweisungsanordnung für Abdul-Baqi Saeed Abdo. Bei einer Abschiebung in den Jemen würden ihm willkürliche Inhaftierung, Folter und andere Misshandlungen oder gar der Tod drohen, u. a. durch ein Todesurteil oder die Tötung durch bewaffnete Gruppen oder nichtstaatliche Akteure. Gemäß Paragraf 259 des jemenitischen republikanischen Dekrets zum Gesetz Nr. 12 von 1994 über Verbrechen und Strafen "werden Personen, die sich von der islamischen Religion abwenden oder sie denunzieren, mit dem Tod bestraft, nachdem ihnen dreimal Gelegenheit zur Reue gegeben und ihnen eine Bedenkzeit von dreißig Tagen eingeräumt wurde. Öffentlich durch Reden oder Handlungen zum Ausdruck gebrachte Apostasie wird als Widerspruch zu den Grundsätzen des Islam und seinen Säulen betrachtet, wenn sie vorsätzlich und entschieden erfolgt. Wenn Vorsatz oder Entschiedenheit nicht erwiesen sind und die schuldige Person Reue zeigt, wird keine Strafe verhängt." Angesichts dieser Bestimmungen und früherer Bedrohungen, denen Abdul-Baqi Saeed Abdo im Jemen ausgesetzt war, ist Amnesty International der Ansicht, dass sein Leben im Fall einer Abschiebung in Gefahr wäre.

Hintergrundinformation

Hintergrund

Abdul-Baqi Saeed Abdo floh im August 2014 nach Ägypten, wo er sich beim UN-Hochkommissariat für Flüchtlinge (UNHCR) als Flüchtling registrieren ließ. Nachdem er 2013 auf seinen Social-Media-Plattformen seinen Übertritt zum Christentum bekannt gegeben hatte, waren er und seine Familie, die in einer ländlichen Gegend außerhalb von Taiz lebte, einer Welle von gewalttätigen Angriffen ausgesetzt. Familienmitglieder berichteten Amnesty International, dass Abdul-Baqi Saeed Abdo seine Arbeit verlor und sein Auto beschädigt wurde. Im Juni 2014 wurde sein Haus in Brand gesetzt, was den Tod seiner Frau zur Folge hatte. Im August 2014 floh er mit seinen vier Kindern aus dem Jemen nach Ägypten.

Am 23. Juni 2022 warnte die Organisation Egyptian Initiative for Personal Rights (Ägyptische Initiative für persönliche Rechte) vor der bevorstehenden Abschiebung von Abul-Baqi Saeed Abdo und forderte die ägyptischen Behörden auf, diese zu stoppen und die Anklagen gegen ihn fallen zu lassen. Am 30. Juni 2022 wandten sich zahlreiche UN-Einrichtungen schriftlich an die ägyptischen Behörden und machten auf die willkürliche Inhaftierung, das Verschwindenlassen und die ungerechtfertigte Strafverfolgung von Abdul-Baqi Saeed Abdo aufmerksam. Dabei handelte es sich um die UN-Arbeitsgruppe gegen willkürliche Inhaftierungen, die UN-Arbeitsgruppe zur Frage des Verschwindenlassens von Personen, den UN-Sonderberichterstatter über außergerichtliche, summarische oder willkürliche Hinrichtungen, die Sonderberichterstatterin über die Förderung und den Schutz des Rechts auf Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung, den Sonderberichterstatter über die Menschenrechte von Migrant*innen, den Sonderberichterstatter für Minderheitenfragen und die Sonderberichterstatterin über Religions- und Weltanschauungsfreiheit.

Ägypten ist verpflichtet, Menschen nicht in Länder abzuschieben, in denen ihnen Verfolgung, Folter oder andere schwere Menschenrechtsverletzungen wie z. B. die willkürliche Verletzung des Rechts auf Leben drohen. Der Grundsatz der Nicht-Zurückweisung (Non-Refoulement-Prinzip) ist als Norm unter dem Völkergewohnheitsrecht anerkannt und in internationalen Instrumenten verankert, so z. B. im UN-Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe, dessen Vertragsstaat Ägypten ist.

Religiöse Minderheiten in Ägypten wie z. B. Christ*innen sind in Gesetz und Praxis starker Diskriminierung ausgesetzt. Bewaffnete Gruppen führen seit 2013 gewaltsame und religiös motivierte Angriffe gegen christliche Gemeinschaften durch. Die ägyptischen Behörden unternehmen nichts, um Christ*innen davor zu schützen und die Verantwortlichen in fairen Verfahren vor Gericht zu stellen. Die Behörden haben es auch versäumt, Christ*innen vor Angriffen bewaffneter Gruppen im Nordsinai zu schützen und die sichere Rückkehr von Hunderten von Christ*innen zu gewährleisten, die nach gewalttätigen Angriffen im Jahr 2017 aus dem Nordsinai vertrieben wurden. Die Betroffenen haben bisher auch keine Entschädigung für den Verlust ihres Eigentums und ihrer Lebensgrundlagen erhalten. Angehörige religiöser Minderheiten und Muslim*innen, die keine staatlich anerkannten religiösen Überzeugungen vertraten, werden wegen "Diffamierung der Religion" und anderer fingierter Anschuldigungen willkürlich festgenommen, strafrechtlich verfolgt und inhaftiert. Personen, die lediglich ihren Glauben ausüben oder die Rechte von religiösen Minderheiten verteidigen, werden ebenfalls ins Visier genommen.

Ägypten ist sowohl dem UN-Abkommen über die Rechtsstellung von Flüchtlingen als auch der Flüchtlingskonvention der Organisation für Afrikanische Einheit (OAU) beigetreten. Beide Verträge verpflichten Ägypten, Flüchtlingen internationalen Schutz zu gewähren und den Grundsatz der Nichtzurückweisung (Non-Refoulement-Prinzip) zu beachten. Gemäß einer Vereinbarung zwischen Ägypten und dem UNHCR aus dem Jahr 1954 nimmt der UNHCR die Registrierung und Feststellung des Flüchtlingsstatus in Ägypten vor. Die ägyptischen Behörden sind verpflichtet, Asylsuchenden ein Treffen mit UNHCR-Vertreter*innen zu ermöglichen und die vom UNHCR vorgenommene Beurteilung ihres Flüchtlingsstatus zu respektieren. Ägyptische Medien berichteten im Juni 2023 über die Absicht der Behörden, die Verabschiedung eines neuen Asylgesetzes zu beschleunigen. Zwar ist der Gesetzesentwurf noch nicht veröffentlicht, doch wird berichtet, dass darunter alle Asylsuchenden und Flüchtlinge im Land verpflichtet wären, sich bei den Behörden zu registrieren und ihren Status innerhalb von sechs Monaten nach Inkrafttreten des Gesetzes zu regeln.