Amnesty Indien 28. Mai 2011

Schutz für den heiligen Berg

Bauer in Orissa

Bauer in Orissa

Ein neues Mumbai oder Dubai – das stellten sich die Behörden im ostindischen Bundesstaat Orissa vor, als 2006 eine Tochtergesellschaft des britischen Unternehmens Vedanta Resources im Gebiet der Dongria Kondh eine Aluminiumoxid-Raffinerie in Betrieb nahm. Doch was die dort lebende indigene Gemeinschaft bekam, waren Umweltverschmutzung und Gesundheitsschäden.

Seit Jahrhunderten leben die Dongria Kondh am Fuße der Niyamgiri-Berge. Sie betrachten das Gebirge als heilig. Als Quelle für Nahrung und Wasser sichert es ihr Überleben. Doch plötzlich befanden sich die Menschen im Schatten einer riesigen Raffinerie, sie atmeten verschmutzte Luft und hatten Angst, Wasser aus dem Fluss zu trinken.

Über die Auswirkungen der Raffinerie wurden die Dongria Kondh nie ausreichend informiert, auch wurde nie ihre Zustimmung eingeholt. Damit verletzten die Behörden und das Unternehmen die Menschenrechte auf Wasser, Nahrung, Gesundheit und Arbeit sowie weitere Rechte, die der Gemeinschaft in Bezug auf ihr Land zustehen. "Wir leben schon seit Generationen hier. Wie kann dann die Regierung auf einmal sagen, es sei ihr Land, und Bergbau erlauben, ohne vorher mit uns zu reden?", beschwerte sich ein Betroffener gegenüber Amnesty.

Trotz der massiven Umweltverschmutzung erwog die indische Regierung sogar, einen Antrag zu genehmigen, der eine Versechsfachung der Raffinerie-Kapazität bedeutet hätte. Außerdem war der Bau einer Bauxit-Mine in der Nähe der Niyamgiri-Berge geplant. Seit 2008 arbeiteten Amnesty International und die Dongria Kondh eng zusammen, um die Vorhaben anzufechten. Während über 30.000 Amnesty-Mitglieder an die indischen Behörden schrieben, führten Vertreterinnen und Vertreter von Amnesty Gespräche mit dem Unternehmen. Anlässlich der Jahreshauptversammlung von Vedanta protestierten Amnesty-Mitglieder vor dem Londoner Firmensitz. Als im August 2010 zwei Aktivisten der Dongria Kondh auf dem Weg nach Neu-Delhi, wo sie gegen den Bau der Bauxitmine protestieren wollten, von Zivilpolizisten verschleppt und misshandelt wurden, startete Amnesty eine Eilaktion und erreichte zwei Tage später ihre Freilassung.

Am 20. Oktober 2010 stoppte der indische Umweltminister Jairam Ramesh in einer außergewöhnlichen Entscheidung die Pläne von Vedanta, die Raffinerie zu erweitern und zusätzlich Bauxit abzubauen. Vedanta habe eine "schockierende" und "eklatante Verachtung für die Rechte indigener Gruppen" gezeigt. Ramesh zog auch die Rechtmäßigkeit der Raffinerie in Frage, die Vedanta bereits am Fuß der Berge errichtet hat.

Amnesty International begrüßte die Entscheidung der indischen Regierung als "Meilenstein für die Menschenrechte indigener Gemeinschaften". Ein Sprecher der Dongria Kondh sagte: "Nach Jahren des Kampfes hat unsere Stimme endlich Neu-Delhi erreicht."

Weitere Artikel