Amnesty Report Philippinen 18. Februar 2017

Philippinen 2017

Die Regierung startete 2016 eine massive Kampagne gegen Drogen. Dabei wurden mehr als 6000 Menschen getötet. Auch Menschenrechtsverteidiger und Journalisten gerieten ins Visier und wurden von unbekannten Tätern oder bewaffneten Milizen getötet. Die Polizei setzte weiterhin unnötige und unverhältnismäßige Gewalt ein. In einem bahnbrechenden Gerichtsurteil wurde zum ersten Mal ein Polizist auf der Grundlage des Antifoltergesetzes von 2009 wegen Folter schuldig gesprochen.

HINTERGRUND

Im September 2016 erklärten sich die Philippinen bereit, 2017 den Vorsitz des Verbandes Südostasiatischer Nationen (Association of Southeast Asian Nations – ASEAN) zu übernehmen.

Im November 2016 kam es zu Protesten gegen ein Heldenbegräbnis für den ehemaligen Präsidenten Ferdinand Marcos, während dessen Amtszeit zahlreiche Menschenrechtsverletzungen verübt worden waren. Präsident Rodrigo Roa Duterte unterstützte die Beisetzung des 1989 gestorbenen Ex-Präsidenten auf dem Heldenfriedhof. Die Philippinen wurden vom UN-Ausschuss gegen Folter, vom UN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte und vom UN-Ausschuss für die Beseitigung der Diskriminierung der Frau überprüft.

RECHTSWIDRIGE TÖTUNGEN

Kurz nach dem Amtsantritt von Präsident Duterte am 30.6.2016 startete die Regierung eine Kampagne gegen Drogen, die im ganzen Land zu einer Welle von rechtswidrigen Tötungen führte. In vielen Fällen könnte es sich dabei um außergerichtliche Hinrichtungen gehandelt haben. Die Tötungen begannen nach dem Amtsantritt von Präsident Duterte, der sich mehrfach öffentlich dafür ausgesprochen hatte, dass Personen, die im Verdacht standen, Drogen zu konsumieren oder zu verkaufen, inhaftiert und getötet werden sollten. Im Zuge der Kampagne wurden 2016 mehr als 6000 Menschen getötet. Soweit bekannt, wurde jedoch in keinem einzigen Fall Anklage gegen Polizisten oder andere Personen erhoben. Zeugen und Familienangehörige der Opfer schreckten davor zurück, die Verbrechen zu melden, weil sie Vergeltungsmaßnahmen befürchteten.

Berichten zufolge waren die meisten Todesopfer junge Männer. Einige von ihnen standen im Verdacht, kleine Mengen von Methamphetamin konsumiert oder verkauft zu haben. Zu den Opfern gehörte auch der Bürgermeister von Albuera, Rolando Espinosa Senior, der in seiner Gefängniszelle erschossen wurde, während man ihm einen Haftbefehl vorlegte. Präsident Duterte hatte den Bürgermeister öffentlich als führenden Drogendealer bezeichnet. Obwohl die Nationale Ermittlungsbehörde nach einer Untersuchung des Falls empfohlen hatte, die mutmaßlich verantwortlichen Polizisten anzuklagen, versprach der Präsident, sich schützend vor die Polizei zu stellen.

Der sogenannte Antidrogenkrieg führte Berichten zufolge dazu, dass sich mindestens 800000 Personen den Behörden "ergaben", weil sie befürchteten, wegen mutmaßlicher Drogendelikte ins Visier zu geraten. Durch die Einlieferung weiterer Häftlinge in die Gefängnisse verschärfte sich die dort bereits herrschende Überbelegung noch weiter.

Journalisten waren 2016 weiterhin gefährdet. Mindestens drei Journalisten wurden getötet, während sie ihrer Arbeit nachgingen. Im Mai tötete ein Unbekannter in der Hauptstadt Manila den Kriminalreporter Alex Balcoba von der Zeitung People’s Brigada vor dem Geschäft seiner Familie im Stadtteil Quiapo durch einen Kopfschuss. Aus Anlass des siebten Jahrestags des Massakers von Maguindanao gedachten die Angehörigen der Opfer. Bei dem Massaker im November 2009 waren 32 Journalisten und 26 weitere Personen getötet worden. Bis Ende 2016 war noch niemand dafür zur Verantwortung gezogen worden.

FOLTER UND ANDERE MISSHANDLUNGEN

2016 gingen weiterhin Berichte über Folter und andere Misshandlungen in Polizeigewahrsam ein. Im März wurde der Polizist Jerick Dee Jimenez für schuldig befunden, den Busfahrer Jerryme Corre gefoltert zu haben, und zur Höchststrafe von zwei Jahren und einem Monat Gefängnis verurteilt. Dies war die erste Verurteilung auf der Grundlage des Antifoltergesetzes aus dem Jahr 2009. Viele weitere Personen warteten jedoch noch immer darauf, dass man auch in ihren Fällen die Täter zur Verantwortung ziehen würde. Im Juli 2016 ergab eine von der philippinischen Menschenrechtskommission vorgenommene Autopsie, dass die Leichname von Renato Bertes und seinem Sohn J. P. Bertes Folterspuren aufwiesen. Die beiden Männer waren in Polizeigewahrsam erschossen worden.

Ein Gesetzentwurf zur Einrichtung eines nationalen Präventionsmechanismus gegen Folter wurde 2016 nicht weiterverfolgt. Im Mai zeigte sich der UN-Ausschuss gegen Folter besorgt über Folter durch die Polizei. Er forderte die Philippinen nachdrücklich auf, alle geheimen Hafteinrichtungen zu schließen, in denen Gefangene – unter ihnen auch Minderjährige – Folter und andere Misshandlungen erleiden.

EXZESSIVE GEWALTANWENDUNG

Die Polizei setzte 2016 weiterhin unnötige und unverhältnismäßige Gewalt ein. Im April löste sie in Kidapawan unter Einsatz von Schusswaffen eine Demonstration von 5000 Bauern auf, die angesichts einer Dürre Reislieferungen forderten und eine Straße blockierten. Dabei wurden mindestens zwei Menschen getötet und zahlreiche weitere verletzt. In einem im Juni 2016 veröffentlichten Bericht stellte die Menschenrechtskommission der Philippinen fest, dass die Polizei mit exzessiver und ungerechtfertigter Gewalt gegen die Demonstrierenden vorgegangen war. Bis zum Jahresende war jedoch noch kein Polizist dafür zur Rechenschaft gezogen worden.

Im Oktober 2016 ging die Polizei mit brutaler Gewalt gegen eine Kundgebung vor der US-Botschaft vor, zu der Organisationen indigener Bevölkerungsgruppen aufgerufen hatten. Ihr Protest richtete sich gegen die militärische Nutzung und Vereinnahmung ihres angestammten Landes. Mindestens zwei Personen wurden verletzt, als ein Polizeifahrzeug Demonstrierende überfuhr.

MENSCHENRECHTSVERTEIDIGER

Im Juli 2016 töteten zwei Unbekannte in Mariveles (Provinz Bataan) die Umweltschützerin Gloria Capitan, die gegen eine Kohlehalde in ihrer Gemeinde und gegen den Bau von Kohlekraftwerken protestiert hatte. Im Oktober äußerte sich der UN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte besorgt darüber, dass Menschenrechtsverteidiger nach wie vor Drangsalierungen, Tötungen und dem Verschwindenlassen zum Opfer fielen und dass diese Straftaten nur in den seltensten Fällen Ermittlungen, Strafverfahren und Verurteilungen nach sich zogen.

TODESSTRAFE

Im Juli 2016 legten Abgeordnete der Regierungspartei einen Gesetzentwurf vor, der die Wiedereinführung der Todesstrafe für eine Reihe von Straftaten vorsah. Sollte die im Jahr 2006 abgeschaffte Todesstrafe auf Grundlage des Entwurfs wiedereingeführt werden, könnte sie auch bei Straftaten wie Vergewaltigung, Brandstiftung, Drogenhandel und Besitz kleiner Drogenmengen verhängt werden. Bei Menschenrechtsorganisationen sorgte der Gesetzentwurf für Empörung. Sie wiesen darauf hin, dass er gegen internationale Menschenrechtsnormen verstoße und keine Straftaten verhindere. Außerdem wurden Gesetzesvorhaben eingebracht, die vorsahen, das Strafmündigkeitsalter auf neun Jahre herabzusetzen.

VERSTÖSSE BEWAFFNETER GRUPPEN

Bewaffnete Milizen verübten 2016 weiterhin Verstöße gegen internationale Menschenrechtsnormen und humanitäres Völkerrecht. Mehr als ein Jahr nach der Tötung von drei Sprechern der indigenen Gruppe der Lumad in Lianga (Provinz Surigao del Sur) im September 2015 war noch immer keine strafrechtliche Verfolgung der mutmaßlichen Täter eingeleitet worden, und mehr als 2000 Vertriebene konnten weiterhin nicht in ihre Heimatorte zurückkehren. Im Oktober 2016 starb Jimmy P. Sayman, nachdem unbekannte Täter einen Tag zuvor bei einem Überfall in Montevista auf Mindanao auf ihn geschossen hatten. Der Kleinbauer hatte sich an Protesten gegen Bergbauvorhaben beteiligt. Nach Ansicht lokaler Menschenrechtsorganisationen kamen Paramilitärs als Täter in Betracht.

RECHT AUF EINEN ANGEMESSENEN LEBENSSTANDARD

Der UN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte kritisierte, dass auf den Philippinen nur 13% der Arbeitnehmer den Mindestlohn erhielten und bestimmte Berufsgruppen von der Zahlung des Mindestlohns ausgenommen waren.

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