Blog Deutschland 25. August 2016

Auf die Straße gegen Rassismus auf der Straße

Anton-W-Amo-Straße statt "Mohrenstraße": Umbennenungsfest am 23. August 2016 in Berlin

Der Name der Berliner "Mohrenstraße" ist eindeutig rassistisch. Am 23. August wurde sie im Rahmen einer Feier symbolisch umbenannt.

Karen Taylor ist angehende Juristin und engagiert sich als Aktivistin bei der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland



Marieme Agne studiert Politik und Recht und ist zur Zeit Praktikantin im Berliner Amnesty-Büro in der Abteilung "Länder, Themen und Asyl" und arbeitet dort u.a. zu den Themen "Polizei, Rassismus & Hate Crimes"

Stell dir vor, du kommst jeden Tag an einem Straßenschild vorbei, das dich beleidigt, herabwürdigt und verletzt. Würde dich das nicht wütend machen? Würdest du nicht etwas unternehmen wollen, anstatt es schweigend hinzunehmen?



Uns beiden und vielen anderen Menschen Afrikanischer Herkunft geht es so, wenn wir durch die Berliner "Mohrenstraße" gehen oder ihren Namen auf einem Stadtplan lesen müssen (Anm. d. Red.: im Folgenden wird "Mohr" durch M* ersetzt): Es ist einfach unglaublich und nicht hinzunehmen, dass in der Hauptstadt  eine Straße einen eindeutig rassistischen Namen trägt!



Daher haben wir am Dienstag im Kreise von mehr als 200 weiteren Personen symbolisch die überfällige Umbenennung der M*-Straße gefeiert. Die Veranstaltung fand anlässlich des "Internationalen Tages zur Erinnerung an den Versklavungshandel und an seine Abschaffung" statt.

Karen Taylor und Marieme Agne (rechts) beim Fest zur Umbenennung der "Mohrenstraße" am 23. August 2016 in Berlin

Mit einer Fotoaktion konnten wir der M*-Straße für einen kurzen Moment einen neuen Namen geben. Wie oben auf dem Bild zu erkennen ist, haben wir uns für Anton-W-Amo-Straße entschieden, den als Kind versklavten, ersten Akademiker afrikanischer Herkunft in Preußen und Verfechter der Menschenrechte Schwarzer Menschen in Europa.



Besonders bewegend war der Auftakt der Veranstaltung, zu dem die Nationalhymne Südafrikas, Symbol des südafrikanischen Widerstands gegen das Apartheidregime, angestimmt wurde. Hier standen wir nun mit der erhobenen "Black Power"-Faust und protestierten – gemeinsam mit Menschen afrikanischer und nicht-afrikanischer Herkunft – gegen die Arroganz der Beleidigenden, die weiter an diesem verletzenden Straßennamen festhalten.



Neben Redebeiträgen vom Vorstand des Zentralrats der Afrikanischen Gemeinde und der Initiative Schwarze Menschen in Deutschland gab es Ansprachen von Politiker_innen, Solidaritätsbekundungen von der Gesandten des Hochkommissariats für Menschenrechte der Vereinten Nationen sowie Poetry und Live-Musik.

 

Mehr als 200 Menschen kamen zum Fest zur Umbenennung der "Mohrenstraße" am 23. August 2016 in Berlin

Um den Protest zu erklären, gingen alle Redner_innen auf die Geschichte des M*-Wortes ein: M* ist bereits in seiner Entstehungsgeschichte eindeutig rassistisch konnotiert.

Denn das M*-Wort, das sich etymologisch aus dem griechischen "moros", (töricht, dumm) sowie aus dem lateinischen "maurus" (schwarz, dunkel, dreckig) zusammensetzt, ist die älteste Bezeichnung für Menschen Afrikanischer Herkunft in Deutschland. Im 17. Jahrhundert wurden jene versklavten Afrikaner_innen, die auf deutschem Boden ausgebeutet wurden, M* genannt.



Nach über 400 Jahren hält der M* noch immer als Name her für Apotheken, Restaurants und eben auch diese Straßen mit dazugehörigem U-Bahnhof. Der M*-Kopf "ziert" neben Eisdielen oder Karnevalvereinsemblemen sogar Stadtwappen und dient somit weiterhin als rassistische Projektionsfläche weißer Phantasien, die Schwarze Menschen als unterlegen darstellt.



Auch die Vereinten Nationen haben erkannt, dass Menschen Afrikanischer Herkunft auf Grund der Historie überproportional von rassistischer Diskriminierung betroffen sind. Mit dem Ziel, rassistische Diskriminierung sowohl in Gesetzgebung als auch in der Praxis zu bekämpfen und den gesellschaftlichen Beitrag von Menschen Afrikanischer Abstammung zu würdigen, haben die Vereinten Nationen die "Internationale Dekade für Menschen Afrikanischer Abstammung (2015-2024)" ausgerufen.



Genau hier setzt das Straßenumbenennungsfest an: Wir Menschen Afrikanischer Herkunft gehören zur deutschen Geschichte. Unsere Verdienste sowie unsere bloße Existenz verdient Respekt.

Nelson-Mandela-Straße statt "Mohrenstraße": Umbennenungsfest am 23. August 2016 in Berlin

Morgens auf dem Weg zur Arbeit auf einem Straßenschild gezeigt zu bekommen, dass wir noch immer rassistische Fremdbezeichnungen dulden müssen, ist nicht nur herabwürdigend, sondern auch verletzend. Daher ist es uns wichtig zu betonen, dass es nicht nur um die Streichung des M*-Wortes aus dem Stadtbild geht. Nein, es geht vielmehr darum, die noch immer bestehenden kolonialen Strukturen innerhalb der Gesellschaft sichtbar und diesen Prozess greifbar zu machen.



Weil Sprache immer subjektiv wahrgenommen wird; weil Begriffe verletzen und weil Straßennamen koloniale Strukturen aufrechterhalten können, war es uns persönlich sehr wichtig, gestern dabei gewesen zu sein. Und es war unglaublich bestärkend, dass viele weitere mit uns die symbolische Umbenennung gefeiert haben!

Werde aktiv! Setze ein Zeichen gegen rassistische Gewalt in Deutschland und beteilige dich an der Online-Petition von Amnesty International: http://www.amnesty.de/rassismus-stoppen

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